Straßen und Wildtiere
Verkehrswege als Barrieren
Viele Tierarten haben große Raumansprüche, manche Arten wandern hunderte Kilometer weit. Dabei stoßen sie oft auf unüberwindbare Barrieren – auf kaum passierbare Straßen und Eisenbahnlinien. Wie dramatisch die Wirkung von Straßen auf Tiere sein kann, zeigt sich jedes Frühjahr, wenn tausende Frösche und Kröten auf den Wanderungen zu ihren Laichgewässern überfahren werden.
Barrieren in der Landschaft
Die Wirkungen von Straßen auf Natur und Landschaft sind vielfältig, die Beeinträchtigungen reichen weit über den Straßenrand hinaus. Verantwortlich hierfür sind
Für viele Wildtiere wirken Straßen als Barrieren, die Populationen isolieren. Dabei ist das Ausmaß dieser Wirkung abhängig vom Straßentyp, von der Verkehrsdichte, von der Geschwindigkeit der Fahrzeuge und natürlich von der Art, die betrachtet wird. Für kleine Tiere wie zB Käfer, Spinnen oder Schnecken stellen schon schmale, wenig befahrene Straßen unüberwindbare Hindernisse dar. Landschaftszerschneidung behindert Wanderungen, führt zum Verlust von Teillebensräumen – zB von Nahrungsgründen, Fortpflanzungsbiotopen oder Überwinterungsplätzen, schafft kleine isolierte Bestände ohne genetischen Austausch. Dadurch können Arten lokal aussterben, wenn die verbleibenden Flächen zu klein sind. Nicht unterschätzt werden dürfen auch die direkten Individuenverluste durch Verkehrsopfer.
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mehr zum Thema Landschaftszerschneidung
Wildtierpassagen
Unser Straßennetz wird immer dichter. Daher muss die Trennwirkung durch Wildtierpassagen reduziert werden. Wesentlich ist dabei der richtige Standort – zB an traditionellen Wildwechseln oder dort, wo zwei getrennte Waldgebiete am nächsten aneinander stoßen, eine naturnahe Vegetation und eine großzügige Dimensionierung.
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Wanderrouten von Tieren bei der Straßenplanung berücksichtigen. Größere unzerschnittene Räume erhalten! |
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Auch Forst-, Güter- und Wanderwege sind Barrieren – je schmäler und je geringer befestigt, desto geringer ist auch die Trennwirkung.
=> mehr zum Thema Forst- und Güterwege |
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Für kleine Tiere sind hohe Bordsteinkanten an Gehsteigen unüberwindbare Hindernisse. In Kombination mit Entwässerungsschächten werden sie oft zur tödlichen Falle. Bordsteine deshalb abschnittsweise absenken oder kleine Rampen zum Überklettern anlegen. Entwässerungsschächte können durch Ausstiegshilfen (=> karch - Merkblatt Amphibienleiter, Amphibtec - Ausstiegrohre für Amphibien), einen engeren Strebenabstand oder durch ein engmaschiges Gitter gesichert werden. An Amphibienwanderrouten sollte durch regelmäßige Kontrollen während der Laichwanderung zumindest ein Teil der Tiere vor dem Gullytod bewahrt werden. |
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Kleintierdurchlässe erlauben Amphibien und anderen kleineren Tieren das unterqueren von Straßen. Sie bestehen aus Sperr- und Leiteinrichtungen entlang der Straße und aus Tunneldurchlässen unter der Straße. Während der Amphibienwanderung sind temporäre Amphibienzäune an neuralgischen Straßenabschnitten zweckmäßig.
=> mehr zum Thema Amphibienschutz an Straßen |
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Naturnahe Bachdurchlässe und unversiegelte Böschungen unter Brücken werden von Wildtieren zur Unterquerung genutzt und können so die Wildunfallsraten senken. Dasselbe gilt für Wegunterführungen mit Vegetationsstreifen. Gewässerrevitalisierung hilft daher auch an Land lebenden Tierarten.
Richtwerte für die Gestaltung von Gewässerdurchlässen:
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Durchlässe grundsätzlich möglichst kurz und möglichst hell gestalten. |
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Für Klein- und Jungfische gilt: maximale Absturzhöhen nicht über 5 bis 10 cm, variable Strömungsverhältnisse mit Ruheplätzen im Durchlass schaffen. Optimal ist eine natürliche Gewässersohle (zB gewässertypisches Sohlsubstrat mit mindestens 20 cm Mächtigkeit einbringen). |
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Mindestbreite einer randlichen Lauffläche für landlebende Tiere: für Fischotter und Iltis 20 cm; für Reptilien, Amphibien, Marder- und Mäuseartige 40 cm; für Biber, Fuchs und Dachs 60 cm. |
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Mindesthöhe der Lauffläche bis zur Decke des Durchlasses: für Reptilien, Marder- und Mäuseartige 40 cm; für Biber, Fischotter, Iltis, Amphibien, Fuchs und Dachs 60 cm – wobei bei runden Bauwerkstypen nur die Hälfte der Lauffläche diesen Ansprüchen genügen muss. |
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Wildtierunterführungen sollten möglichst breit und hell sein und einen natürlichen, bewachsenen Untergrund aufweisen. Das Verhältnis Breite x Höhe : Länge sollte den Wert 1,5 nicht unterschreiten. Bis in 80 cm Höhe dunkel, darüber hell streichen. Irritationsschutzwände erhöhen die Wirksamkeit und sollten beidseitig der Querungshilfe je 50 m straßenparallel angebracht werden. Allerdings nützt vor allem Schalenwild solche Wildtierunterführungen oft kaum. |
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Straße auf Viadukten führen. Weiträumige, naturnah gestaltete Viadukte mit einer Mindesthöhe von 4 m und einer Breite von 60 m werden meist gut angenommen – vorausgesetzt, dass die Viadukte nicht als Unterstand für Maschinen bzw Lagerplätze genutzt werden. Diese Bauweise kann allerdings Konflikte mit Landschaftsschutz und Lärmschutz verstärken. |
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Grünbrücken und Wildtierüberführungen. Grünbrücken für große Wildtiere sollten eine Mindestbreite von 30 m, besser von 50 m bis 80 m aufweisen. Wichtig ist die Gestaltung mit einem natürlichen Oberflächenmaterial und einer umgebungsangepassten Vegetation. Zur Straße hin ist Sichtschutz und Lärmdämmung sinnvoll. Viele Wildtiere haben das Bedürfnis nach Überschaubarkeit und freier Sicht zur nächsten Deckung auf der andern Seite. Deshalb sollte die Sichtachse freigehalten und auf steile Rampen bzw eine zu starke Wölbung der Brücke verzichtet werden. Selbstverständlich sollten Grünbrücken nicht zugleich für andere Zwecke, beispielsweise als Wander- oder Bewirtschaftungswege genutzt werden. |
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Landschaftsbrücken. Werden Straßen auf einer Länge von mehreren 100 m in Tunnel verlegt, bleiben Wildlebensräume unfragmentiert erhalten. Landschaftsbrücken sind sehr wirkungsvoll, aber auch sehr kostenintensiv. Daher werden sie vor allem zum Schutz besonders sensibler Lebensräume oder Arten gebaut. |
Der Standort und die Ausgestaltung der Wildtierpassagen muss an die jeweiligen Zielarten angepasst werden. Wichtig ist, dass die Passagen ausschließlich den Wildtieren vorbehalten blieben und menschlichte Aktivität – auch Jagd – im Umfeld vermieden wird. Bei der Bepflanzung heimische und standortgerechte Pflanzen verwenden und ein abwechslungsreiches Strukturangebot für die Wildtiere schaffen. Leitstrukturen wie zB naturnahe Bäche, Hecken, Brachestreifen oder Gräben vernetzen die Umgebung mit der Wildtierpassage und leiten die Tiere zur Querungsmöglichkeit.
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Schutzmaßnahmen gegen Wildunfälle
Wildwechsel ist in manchen Regionen eine erhebliche Unfallgefahr. Jedes Jahr kollidieren Tausende Wildtiere mit Fahrzeugen.
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Geschwindigkeit anpassen, Warnschilder beachten. Die größte Gefahr besteht in waldreichen Gebieten während der Abend- und Morgendämmerung, besonders im Frühjahr und Herbst. Überquert ein Wildtier die Straße, sollte auf Abblendlicht geschaltet werden, mehrmals kurz hupen und – sofern es die Verkehrssituation zulässt – abbremsen. Rehe und Wildschweine sind meist in Gruppen unterwegs, daher ist mit „Nachzüglern“ zu rechnen. |
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Wildschutzzäune verhindern, dass größere Tier auf die Straße gelangen. Sie müssen in den Boden eingelassen werden, damit sich Dachse und andere Tiere nicht darunter durchgraben können. Wildschutzzäune verstärken allerdings die Trennwirkung von Verkehrswegen. Ihr Einsatz muss deshalb sorgfältig geplant werden. Durch Hecken und Gehölze entlang der Zäune lassen sich Wanderleitlinien für Tiere schaffen. |
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Wildreflektoren werden an Leitpflöcken oder Leitschienen angebracht. Sie reflektieren das Schweinwerferlicht der Autos und halten manche Wildtiere vom Überqueren der Straße ab. Neue Systeme kombinieren die Lichtreflexionen zusätzlich mit einem Pfeifton. Auch spiegelnde CDs oder Flaschen, die die am Straßenrand aufgehängt werden, funktionieren nach diesem Prinzip. |
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„Duftzäune“ halten Wildtiere mit Gerüchen von der Straße fern. Die schaumstoffartige Masse wird in regelmäßigen Abständen auf Bäume oder andere Strukturen gespürt und bewirkt, dass sich das Wild weniger riskante Übergänge sucht. |
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Wildwarnanlagen mit Infrarotsensoren lassen ein Warnsignal mit Tempolimit am Straßenrand aufleuchten, sobald sich ein Wildtier der Straße nähert und vom Sensor erfasst wird. Diese Systeme wurden bereits erfolgreich getestet. |
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In Einzelfällen lassen sich durch Wildäcker, die mit Klee oder Roggen gezielt als Äsungsflächen für Schalenwild angesät werden, Wildwechsel reduzieren. |
Unterlagen / Links
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeistgruppe Straßenentwurf (2008): Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen ans Straßen (MAQ). Ausgabe 2008, FGSV Verlag, Köln, 48 S.
F. v. Leber (1995): Wildtiere, Straßenbau und Verkehr. Wildtierbiologische Information für die Praxis, Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie, Chur, 53 S.
O. Holzgang, U. Sieber, D. Heynen, F. v. Lerber, V. Keller & H. Peter (2000): Wildtiere und Verkehr. Eine kommentierte Bibliographie. Schweizerische Vogelwarte Sempach, 72 S., Download auf
Download pdf (1.002 kb)
J. Rieder, C. Elmiger, R. Fankhauser & S. Schneider (2006): Vernetzung von Lebensräumen bei der Gestaltung von Verkehrsträgern. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, Bundesamt für Strassen, S. 174 S., Download auf
docplayer.org
A. Garniel & U. Mierwald (2010): Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 115 S.,
Download pdf (2.232 kb)
B. Georgii (2008): Barrieren überwinden. Praxisleitfaden für eine wildtiergerechte Raumplanung. Deutscher Jagdschutz-Verband, 19 S.,
Download pdf (6.137 kb), weiterführende Informationen unter
www.jagdverband.de/node/3262
P. Oggier, A. Righetti & L. Bonnard (2001): Zerschneidung von Lebensräumen durch Verkehrsinfrastrukturen COST 341. Umwelt-Wissen Nr. 0714 (2. aktualisierte Auflage der BUWAL-Schriftenreihe Umwelt Nr. 332). Bundesamt für Umwelt, Bundesamt für Raumentwicklung, Bundesamt für Verkehr und Bundesamt für Strassen. Bern, 101 S.,
Download pdf (2.251 kb)
ALN Amt für Landschaft und Natur, Fachstelle Naturschutz (2013): Merkblatt Faunagerechte Bachdurchlässe. Baudirektion Kanton Zürich,
Download pdf (5.165 kb)
A. Righetti, J. Müller, A. Wegelin, M. Andres, P. Drollinger, V. Maurer, S. Zumbach & A. Meyer (2008): Faunagerechte Sanierung von bestehenden Gewässerdurchlässen. Tiefbauamt des Kantons Aargau und Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS), 92 S.,
Download pdf (15.665 kb)
Landesanstalt für Umweltschutz - Fachdienst Naturschutz (1999): Fallenwirkung und Entschärfung der Straßenentwässerung in Amphibienlebensräumen. Artenschutzmerkblatt 1, Karlsruhe,
Download pdf (287 kb)
S. G. Caprez & S. Zumbach (2013): Amphibien in Entwässerungsanlagen. Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz KARCH, Neuenburg, 11 S.,
Download pdf (3.001 kb)
A. Zehm (2015): Wirksame Fluchthelfer – Amphibienschutz an Entwässerungssystemen. ANLiegen Natur 37 (2): 11-12,
www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/amphibienschutz/
A. Spalding (2005): The butterfly handbook. General advice note on mitigating the impacts of roads on butterfly populations including a case study on mitigation for the Marsh Fritillary butterfly along the A30 Bodmin to Indian Queens road improvement scheme. English Nature and the Highways Agency, 39 S.,
Download pdf (1.783 kb)
R. T. T. Forman, D. Sperling, J. A. Bissonette, A. P. Clevenger, C. D. Cutshall, V. H. Dale, L. Fahrig, R. France, c. R. Goldman, K. Heanue, J. A., Jones, F. J. Swanson, T. Turrentine & T. C. Winter (2003): Road Ecology. Science and Solutions. Island Press, Washington – Covelo – London, 481 S.